Imprints: Die lebenslangen Auswirkungen der Geburtserfahrung


Arthur Janov, Ph.D., pp. 309, New York: Coward, McCann 1983




Buchbesprechung von Arnold Buchheimer, Ph. D.



Imprints von Arthur Janov (1983) ist ein weiteres Meilenstein-Buch in der Primal-Serie, die Arthur Janov in den letzten fünfzehn Jahren begonnen hatte. Sein Untertitel lautet "Die lebenslangen Auswirkungen der Geburtserfahrung". Und es ist genau das, eine Beschreibung dieser Geburtsfolgen für das Leben vieler Menschen, die den Mut und auch die Ausdauer fanden, ihrer eigenen Geburt in der Primärtherapie nachzugehen und sie zu erforschen, und die die lyrische Fähigkeit besaßen, ihre therapeutischen Erfahrungen in ihren Tagebüchern mitzuteilen, sodass Arthur Janov diese schriftlichen Dokumente als weitere Ausführung seines eigenen Texts verwenden konnte.

Imprints is ein gut geschriebenes und gut konzipiertes Buch (man verzeihe mir das Wortspiel), das für jeden Pflichtlektüre sein solllte, der sich für den Geburtsprozess interessiert.

Seine grundlegende These lautet folgendermaßen:


Die Einprägung frühen Schmerzes in das sich entwickelnde Nervensystem des Säuglings bewirkt zweierlei: erstens erzeugt sie einen lebenslangen Pool bleibender Spannungen, und zweitens lenkt und formt sie das Verhalten auf besondere Weise. (s. 48)


Er fährt sodann damit fort, dass er diese Annahmen von einem neurophysiologischen Bezugsrahmen aus veranschaulicht, indem er zwei Prototypen (linguistisch gesprochen) erfindet - den Sympathetiker und den Parasympathetiker. Dann trägt er die These vor, dass "die gesunde Person ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den beiden Zuständen aufrecht erhält" (s. 51): zwischen dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem. Ein treffendes, aber stark vereinfachendes und sehr konservatives Festhalten an den Gesetzen der Homöostasie. Diese Formulierung eliminiert nahezu jegliche Betrachtung psychodynamischer Faktoren. Das ganze Buch hindurch macht er eine "biologische Basis" für die Persönlichkeitsbildung geltend, aber die ganze Zeit veranschaulicht er auch in umfassender Weise die psychodynamischen Faktoren mittels seiner Fallschilderungen.

Den theoretischen Anfangskapiteln folgen Erörterungen des "Geburtstraumas". Der Leser wird sich daran erinnern, dass dieses Konzept ursprünglich ein Beitrag Otto Ranks zum Fachgebiet war. Janov fertigt Rank kurz ab, indem er betont, dass Rank allgemein von dem Trauma sprach, das das Neugeborene während des Durchgangs von der Welt im Mutterleib zur Welt außerhalb des Mutterleibs erfährt. Tatsächlich aber illustrieren die klinischen Erfahrungen, die der Autor das ganze Buch hindurch zitiert, die Echtheit und Folgerichtigkeit von Ranks theoretischer Formulierung. Dies bedeutet nicht, den pränatalen Bedingungen in utero an Gewicht zu nehmen. Janov und gewiss auch diese aktuellen Seiten von Aesthema dokumentieren die pränatalen als auch die perinatalen Aspekte des Geburtstraumas.

Nachdem er die Theorie des Geburtstraumas entwickelt hat, fährt Janov fort, indem er die katastrophalen Elemente und Implikationen des Geburtstraumas zur Sprache bringt. Er veranschaulicht und erläutert sein Konzept mit Fallschilderungen und bringt starke Argumente für die Vorteile, die aus der Art von Therapie gewonnen werden können, die einem Menschen Gelegenheit gibt, Aspekte seiner/ihrer Geburt zu ergründen.

Das Buch ist voller Fallgeschichten, Protokolle therapeutischer Sitzungen und klinischer Darstellungen; sie sind alle interessant und liefern ein sattes und farbenfreudiges Hintergrundgemälde zur Veranschaulichung von Janovs Standpunkt. Zum Beispiel sind Protokolle therapeutischer Sitzungen sorgfältig gegliedert, wie die Selbstdarstellung dieses männlichen Homosexuellen, die von diesem laufenden Kommentar begleitet wird:


	Frühe Entdeckung eines Unterschieds
	Entdeckung der Abweichung
	Tod des Vaters
	Ausagieren
	Erste homosexuelle Langzeitbeziehung>
	Das hoffnungslose Paradox
	Kindheitstrauma
	Erste Geburtsgefühle
	Überwältigendes Saugbedürfnis bei der Geburt
	Wiedererschaffung des Geburtsdrucks
	Familiendynamik
	Verstärkungen in der Kindheit
	Beziehungen zu den Eltern
	Selbstmord des Vaters setzt homosexuelles Ausagieren in Gang
	Auflösung (der Anfang von Heterosexualität)
	Homosexualität als Überlebensweise (s. 102-106)


Er fährt dann fort mit einer Diskussion der Beziehung der Erwachsenensexualität zum Geburtstrauma und zu anderen intensiven Traumen wie Inzest und dem Tod eines geliebten Menschen. Auf Seite 176 ist eine Tabelle, die idiomatische Ausdrücke beinhaltet, welche dem Therapeuten einen Hinweis liefern können, dass der Patient möglicherweise Geburtsereignisse beschreibt, wie: "Ich stecke fest", "Du treibst mich zu weit", "Immer krieche ich den Leuten in den Arsch". Richtigerweise hebt Janov hier die Tendenz von Patienten hervor, pathologische Ereignisse mit körperlichen Begriffen zu beschreiben, und legt im weiteren nahe, dass Patienten vielleicht von ihrer Geburt sprechen, wenn sie idiomatische Ausdrücke und Metaphern wie die oben genannten verwenden.

Dies ruft Erinnerungen wach an Stanislav Grofs (1975) perinatale Matrizes, obwohl sich der Autor nicht auf Grofs Werk beruft.

Das ganze Buch hindurch beharrt Janov auf seinem Standpunkt, dass Neurose in erster Linie biologisch begründet ist und nicht kognitiv - wenn auch der ausgedehnte Randkommentar der Patientenberichte diesen engen Gesichtspunkt Lügen straft. Es folgt eine der eloquenteren Passagen, die seine wiederkehrende These veranschaulicht:
"Ideen sind in einer verborgenen Ur-Vergangenheit verankert. Sie schnellen an die Oberfläche wie Bojen, alle von anderer Farbe und von eigenem Charakter - und dennoch eng an dieselbe Formulierung gebunden. Unsere Ideen variieren inhaltlich nicht besonders, noch treiben sie leicht in neue Zonen ab, weil sie von chemischen Fesseln festgehalten werden, die genauso stark sind wie die Kettenglieder eines Ankers." (s. 179)
Was für eine Metapher!

Das Buch endet mit einem Anhang über fetalen Stress. Der Leser wird hier an eine andere kürzlich veröffentlichte Arbeit erinnert, Thomas Vernys und John Kellys "Das verborgene Leben des ungeborenen Kindes" (1981). Janov erwähnt dieses Werk in keiner Weise. Diese zwei Bände sind ziemlich komplementär; Janov befasst sich mit den Auswirkungen dessen im späteren Leben, was sich im Mutterleib oder bei der Geburt ereignete, während Verny und Kelly die prä- und perinatalen Bedingungen erforschen, wie sie zu ihrer jeweiligen Zeit einzutreten scheinen. Übrigens sind Verny und sein Mitverfasser ungewöhnlich vorsichtig im Gebrauch des Begriffs "primär", vermutlich auf Anweisung des vorsichtigen Herausgebers. Sie zitieren keines von Janovs früheren Werken. Dennoch ist vieles in Vernys Arbeit tief in primärtheoretischem Denken verwurzelt.

Eine andere interessante Notiz: Auf Seite 97 in "Das verborgene Leben. . . ." wird die Geburt beschrieben "als ein Ereignis, dass sich in seine Persönlichkeit einprägt" (Kursivschrift von mir). Zwei Jahre später erscheint von einem anderen Autor ein Buch mit dem Titel Imprints. Weder Janov noch Verny erkennen einander an. Sollte die Primärwelt so isoliert sein, dass diese zwei Autoren keine Kenntnis voneinander und von des anderen Arbeit haben? Kann sich die Primärwelt solche Eigentümlichkeit leisten?

Im Zusammenhang mit jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet perinataler Forschungen schenkt Janov Leboyer kaum Beachtung, obwohl er widerwillig anerkennt, dass seine eigenen Schlüsse und Erkenntnisse denen Leboyers ähnlich sind. Und des Weiteren räumt er ein, dass Leboyer aufgrund seiner umfassenden klinischen Praxis zu seinen Überzeugungen kam. Indessen kamen Janov und Verny zu ihren Schlussfolgerungen aufgrund eingehender Beobachtung von Patienten, während diese abreagierten und ihre traumatischen Geburtserfahrungen wiedererlebten. Die Einmütigkeit der Schlussfolgerungen dieser drei Autoren sollte als Meilenstein in der Entwicklungspsychologie und klinischen Psychologie begrüßt werden, ganz zu schweigen von der Gynäkologie und Geburtshilfe.

Vergleicht man Janov und Verny weiterhin, so dokumentiert Verny gründlich und umfassend. Janov dokumentiert selektiv. Beide Bücher sind "Handelsbücher", gedacht für den Durchschnittsleser.

Jeder Kritiker, der ein Buch so lange Zeit nach seiner ersten Veröffentlichung bespricht, ist natürlich neugierig, was andere Kritiker gesagt haben. Eine ausgedehnte Suche offenbart, dass es in der allgemeinen Presse nahezu keine kritische Beachtung von Imprints gab und gar keine in der fachwissenschaftlichen Presse. Verny und Kelly erging es in der kanadischen Presse nur geringfügig besser.

Jedoch freue ich mich berichten zu können, dass beide Bücher noch vorrätig sind und ihren Weg auf den Taschenbuchmarkt gefunden haben, was anzeigt, dass sie sich gut verkauft haben. Interessenten an diesen Büchern sollten in der Lage sein, sie in den Regalen öffentlicher Bibliotheken und von College-Bibliotheken zu finden, zumal sowohl The Library Journal und Choice, ein Journal im Dienste von College- und Fachbibliotheken, sie günstig beurteilt haben. In Science Books and Films (ja/F 1984 cf. Book Review Digest, 1984,) erscheint der folgende von Eric Seidnam geschriebene Satz über Imprints : "Es ist einem ausgewählten Auditorium zu empfehlen - Janovianern" Mein Widerspruch könnte größer nicht sein! Die Bezeichnung "Janovianer" ist mr neu, sicher bedauerlich und isolierend.

Um zu Imprints selbst zurückzukehren: ich finde Freude daran, das Buch zu lesen und zu studieren. Ich glaube, es ist ein bedeutsames Buch. Ich empfehle es jedem/jeder, der/die sich mit den therapeutischen Konzepten im Umkreis des Geburtstraumas und seinen Auswirkungen auf die Persönlichkeit und den Lebensstil vertraut machen will.
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Biographische Anmerkung

Arnold Buchheimer lebt gegenwärtig im Ruhestand. Er war privat praktizierender Psychotherapeut und emeritierter Professor an der City University of New York, Baruch College, und dem Graduate Center. Er erhielt sein Doktorat 1953 von der Ohio State University und hatte mehr als fünfunddreißig Jahre lang eine parallele berufliche Laufbahn in Psychotherapie und Pädagogik.


Anmerkung des Übersetzers

Das Buch erschien 1984 unter dem Titel Frühe Prägungen im S. Fischer Verlag. Meiner Ansicht nach hatte Janov in Gefangen im Schmerz (1981 im S. Fischer Verlag, Originaltitel: Prisoners of Pain und in Frühe Prägungen (Imprints) ein Höchstmaß an analytischer Schärfe in seiner wissenschaftlichen Karriere erreicht.
-- F.Wagner


EMaK www.emak.org ist eine Webseite für Erwachsene Misshandelt als Kinder. Über die Erfahrungen einer misshandelten Kindheit zu sprechen ist oftmals der erste Schritt auf einem langen Weg die unsichtbaren Wunden zu heilen.

-- Sieglinde W. Alexander



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