Geburts Primals - eher früher oder eher später?


von Pat Törngren


Es ist eine der wichtigsten Lektionen, die Erfahrung mich gelehrt hat: Dass ich zwar unter keinen Umständen, erst recht nicht in einem frühen Stadium der Therapie, jemanden das Erleben von Geburtsgefühlen auf dränge, dass ich aber andererseits, egal wie früh in seinem Prozess, niemanden davon abhalte und derartige Gefühle unterbinde, wenn tatsächlich der Köper selbst in diese Richtung drängt.



Vor Kurzem brachte in der Internet Primal Support Group jemand das Thema Geburts- Primals auf und vertrat die Ansicht, dass viele IPA Therapeuten, unter Vernachlässigung anderer Themen, dem Wiedererleben der Geburt zu viel Gewicht beimessen. In der Diskussion mit einem praktizierenden IPA- Therapeuten, ( der im übrigen die Unterstellung zurückwies ) fielen zwei Namen, William Emerson und Barbara Findeisen. In diesem Zusammenhang ein paar Anmerkungen von mir:

Was Emerson angeht, so arbeitet er meines Wissens direkt mit Babys und hilft diesen, ein eventuelles Geburtstrauma gleich in den ersten Wochen des Lebens danach los zu lassen.

Ich finde seine Arbeit ausgesprochen faszinierend ( in diesem Zusammenhang wurde sein Name im Primal Institute Newsletter erwähnt ). Über seine Arbeit mit Erwachsenen ist mir nichts bekannt.

Von Barbara Findeisen kenne ich nur, was ich auf dem Video „Journey to be Born“ gesehen habe. Ich fand das Video zwar sehr anregend, was mir aber auffiel war, dass die dort gezeigten Klienten, obwohl ihr Weinen und Schreien im Zusammenhang von Geburt, der Trennung von der Mutter und verwandten Themen erfolgt ist, alle auch Worte gebrauchen, die doch später als die Geburt kommen. Und das Schreien selbst war eher das von älteren Kindern. Was mich vermuten lässt, dass diese Klienten vielmehr zweite- Ebene Primals über ihre Geburt, aber nicht ihre Geburt tatsächlich selbst in erste- Ebene- Primals wiedererlebten. So dass auch wenig Gefahr bestand, dass ein Überflutet -Werden von sehr frühem Schmerz oder ein Desintegration passieren könnte.

Während meiner ganzen langjährigen Zeit als IPA- Mitglied hat niemand mich in die Richtung von Geburt zu drängen versucht und ich wäre auch ziemlich aufgebracht gewesen, wenn es jemand versucht hätte. Ich kann es absolut nicht leiden, in irgend eine Richtung gedrängt zu werden – und das ist nun in der Tat ein Geburtsgefühl. Wenn also jemand so etwas auch nur versucht hätte, hätte ich es ziemlich sicher sofort bemerkt und durchaus heftig und negativ darauf reagiert.

Indes scheint dieses Thema nicht auf das Umfeld der IPA beschränkt zu sein, und an der Frage, wann man sich auf Geburtsgefühle einlassen sollte, scheiden sich die Geister, selbst die des Ehepaars Janov und vieler der von ihnen trainierten Therapeuten. Art’s Patienten werden anscheinend aufgefordert, bis zur Geburt zurück zugehen ( wobei ich nicht genau weiß, in welchen Stadium der Therapie ) während mir am Primal Institute [ Vivian Janov ] gesagt wurde, dass man inzwischen Leuten wie mir, die im Geburtskanal gestorben waren, empfiehlt, auf das Wiedererleben dieser Situation möglichst zu verzichten.

Im Gegensatz dazu meint mein derzeitiger Therapeut, „Hör’ auf Deinen Körper und geh mit Deinem Prozess mit – wenn Du wirklich heil werden willst kannst Du Dich nicht nur ein bisschen auf den Schmerz einlassen und dann zwischendrin plötzlich haltmachen und umkehren. Wenn Du nämlich das probierst, kommt Dein Heilungsprozess genau an dieser Stelle zum Stillstand und Du läufst Gefahr auf Dauer stecken zu bleiben.“

Ich verstehe im Grunde Vorbehalte die, wie ich gehört habe, am Primal Institute gegenüber Geburtsprimals bestehen, weil nämlich suizidale Impulse eine echte Gefahr bedeuten in einem Fall wie bei mir, als im Geburtskanal zu sterben Erleichterung von einem nicht enden wollenden Schmerz bedeutet und zu einer ganzen Reihe von „Lasst mich doch bitte sterben“- Primals geführt hat.

Zugleich habe ich das Erleben meiner Geburt und speziell auch meines Sterbens im Geburtskanal, in der geschützten Atmosphäre bei meinem Therapeuten, und obwohl es zu Zeiten nicht leicht zu ertragen war, als sehr heilend erlebt. Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass dies im Rahmen einer 10-jährigen Einzelbetreuung erfolgte, die allein mir die nötige Sicherheit gab, „dort hin“ zurückzugehen. ( Ich möchte das niemandem empfehlen, der dabei nicht genug menschliche Unterstützung in Hier und Jetzt hat. Dann ist es zwar nicht das ideal Vorgehen aber eine temporäre Notwendigkeit, davon abzusehen.)

Als den Hintergrund meiner Einstellung möchte ich meine persönlichen Erfahrungen mit Geburtsprimals hier schildern. Mein erstes Geburtsprimal hatte ich 1974, ein Jahr nachdem ich hier in Kapstadt mit dem Selbstprimeln begonnen hatte. Ich konnte es damals nicht einordnen, da es ohne Schreien, stumm war. Ich erlebte einfach eine langanhaltende Körpererinnerung die sich auf den letzten Teil der Geburt, mit dem Austritt des Kopfes, bezog. Der gefühlte Druck war unglaublich und ich weiß noch, wie ich dalag und dachte “Oh, das könnte gefährlich werden, hoffentlich krieg’ ich dabei keinen Herzschlag“

Der Buddy der mir damals saß sagte mir danach, dass ich zuerst rot und dann blau im Gesicht wurde. Und zum Schluss hin ( als ich auch selbst den Druck auf den Kopf als am stärksten empfunden hatte ) seien die Venen an meiner Stirn klar hervorgetreten und er habe dann auch Angst empfunden was passieren könnte als ich dann auch noch den Atem anhielt. Aber alles ging gut und ich empfand große Erleichterung, danach. ( Ich erinnere, danach sehr gut geschlafen zu haben und wie erfrischt ich am Morgen danach war.)

Zwei Jahre danach ging ich nach LA und fragte meine Drei- Wochen- Ausbildungs- Therapeutin, was ich mit meinem Kopfweh anfangen soll ( von dem ich schon wusste, dass es mit der Geburt im Zusammenhang stand ). Sie empfahl, es nicht primal- mäßig aufzugreifen sondern Aspirin zu nehmen, was ich auch pflichtbewusst tat. Entsprechend war ich später dann um so mehr überrascht, als ich Patti Nicholas in der Großgruppe ein Geburtsprimal unterstützten sah. Ich aber hielt mich an die Empfehlung meiner Therapeutin und in Folge dessen unterblieben für die nächsten sieben Jahre Geburtsprimals bei mir völlig.

Die Kopfschmerzen aber blieben mir und irgend wann war ich dann verzweifelt genug, fasste mir ein Herz und lies mich versuchsweise primelnd auf sie ein. Dabei kam es dann nicht zu eigentlichen Primals sondern eher zu einer Art Körper- Erinnerung. Die aber hielt stundenlang an, löste die Kopfschmerzen und bedeutete für mich den Beginn für danach regelmäßige, verbundene Geburtsprimals mit den Schreien eines Neugeborenen. Zugleich bedauerte ich damals den Anweisungen meiner Therapeutin in LA gefolgt zu sein, da ich wohl doch schneller vorangekommen wäre, wenn ich nur meinem Körpergefühl gefolgt wäre und ihn hätte machen lassen.

Im Zusammenhang damit hatte ich ein Aha- Erlebnis als meine beste Freundin das erste Mal geprimelt hat, 21 Jahre ist das her. Zuerst wollte sie Gefühlsarbeit alleine machen, aber als sie dann merkte, dass sie das nicht konnte, fragte sie mich, da sie sich keinen Therapeuten leisen konnte, ob sie für eine Intensivphase zwei Wochen nach Kapstadt kommen könnte. Obwohl für mich das erste Mal, fühlte es sich stimmig an, denn sie hatte mir selbst vor Jahren gesessen und war so zur Primärtherapie gekommen.

Ich dachte eigentlich, ich solle ihr jeden Tag einmal am Nachmittag in der Primal- Box sitzen. Allein, vom ersten Tag an wollte sie drei Sitzungen am Tag und nachts wollte sie auch noch weinen – so dass ich Verstärkung brauchte. Ich machte dann die Frühschicht, ein Freund ( ein ehemaliger Cecil Osbone- Patient und selbst zertifizierter Therapeut ) die Nachmittagsschicht und mein Mann die Abendsitzungen.

Vom Anfang an hatte meine Freundin einstreuende Geburtsgefühle. Ich hielt das für zu früh in ihrer Therapie und führte sie pflichtbewusst davon weg und hin zu späterem Material, wo sie auch gute Fortschritte machte. Eines Abends dann, in der zweiten Woche, hatte sie einen Durchbruch während sie mit meinem Mann arbeitete.

Vielleicht zuerst ein Wort über ihn: Er ist ein sehr passiver Buddy ( was ebenso Vor- wie Nachteile hat ). Er unterbricht nie, eher nickt er mal ein. Dies Art des Sitzens war für meine Freundin sehr hilfreich, denn sie kam spontan mit ihrem Geburtserleben in Kontakt und er tat nichts, sie daran zu hindern. Sie kam wie neugeboren aus der Primal Box und hatte ihre Verbindung exakt hergestellt.

Was war geschehen? Sie hatte ein Geburtsprimal gehabt, in dem sie fühlen konnte, wie sehr sie sich damals angestrengt und Druck gesetzt hatte um „raus“ zu kommen. Sie sah, dass diese drei Sitzungen am Tag ein Ausagieren dieses alten Gefühls war: Ich muss wahnsinnig Druck machen, wenn ich lebend da rauskommen will. Als sie dann am nächsten Tag für ihre Sitzung mit mir vorbeikam meinte sie: „Ich brauch heut’ keine Sitzung, lass uns ins Kino gehen“. Also gingen wir nach Kapstadt und schauten uns dort einen Film an.

Ab da brauchte sie nur noch eine Sitzung am Tag, in denen sie auch zunehmen leichter an ihre Gefühle kam, nachdem erst mal der Geburts- „Notfall“ vorbei war. Ich habe daraus wichtiges gelernt, vor allem: Obwohl ich allgemein und schon gar nicht in einem frühen Stadium von Therapie, Klienten das Hineingehen in Geburtsgefühle aufdrängen würde, so würde ich aber auch nicht, vorausgesetzt sein Körper selbst will da hin, ihn daran hindern oder versuchen das zu stoppen, und sei es auch in einer Frühphase seiner Therapie.

Ich anerkenne jetzt die Weisheit des Körpers. Unsere gesunde Abwehr, solange sie nicht überrannt wird, verhindert es, in unter Umständen gefährliche, weil zu sehr mit Schmerz befrachteten alten Gefühle zu kommen.

Wir alle sind hier noch am lernen und besonders von Leuten, die mir sitzen und von ihren Erfahrungen lerne ich sehr viel. Nachdem ich nun habe gesagt habe, was ich zu diesem Thema denke, freue mich auch zu hören, was andere zu diesem Thema zu sagen haben.
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Die Autorin machte Primär- Therapie am Primal- Institute in Los Angeles in den siebziger Jahren. Sie hat als Geburtstrainerin gearbeitet und sie ist Gründerin und Moderatorin der frequentierten Primal-Support-Group.

Ihre Webseite, The Southe African Primal Therapy Support Page kann aufgerufen werden über: http://home.mweb.co.za/to/torngren

Pat Törngren lebt in Süd Afrika und empfängt Emails über diesen Link.


Übersetzung: Reinhold W. Rausch


EMaK www.emak.org ist eine Webseite für Erwachsene Misshandelt als Kinder. Über die Erfahrungen einer misshandelten Kindheit zu sprechen ist oftmals der erste Schritt auf einem langen Weg die unsichtbaren Wunden zu heilen.

-- Sieglinde W. Alexander


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